23. Die Lechtaler Alpen: Ein Gebirge im Urzustand
- Sigi Schwärzler
- 24. Juli 2018
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 10. Okt. 2020

Wild, ja das sind sie, die Lechtaler Alpen. Ihre zerklüfteten Kämme und Zacken thronen über Steil-flanken und Schotterhängen, die in schluchtenartige Täler abstürzen, dazwischen setzen sattgrüne Grasmatten im Bereich der Steinböcke und Murmeltiere sanfte Kontraste. Sie liegen im westlichen Österreich und bilden zu einem kleinen Teil den Grenzverlauf zwischen Vorarlberg und Tirol. Bis auf wenige Randgebiete kaum erschlossen, beeindrucken die Lechtaler Alpen mit einer Hochgebirgsland-schaft im Urzustand, deren oft kompromisslose Steilheit kaum menschliche Nutzung zulässt - von traumhaften Wanderungen abgesehen. Dieses weitgehend natürliche und naturnahe Gebiet, ausgezeichnet mit charakteristischen Lebensräumen und einer Vielzahl von seltenen bzw. gefährdeten Arten, wurde zum Schutzziel des europaweiten Schutzgebietsnetzes Natura 2000.
Unser heutiger Ausgangspunkt ist die höchste Spitze im Arlberg-Gebiet, die Valluga (2.809 m), welche wir bequem mit der Galzigbahn und den beiden Vallugabahnen erreichen. Manche Skitouren letzten Winter führten uns im Bereich an der Südflanke liegenden Ulmer Hütte in nordöstlicher Richtung hinauf zum Valfagehrjoch (2539 m) und kurz auf die Schindlerspitze (2.647 m). Den Jahnturm umrundend stiegen wir hinauf zur Bergstation der großen Seilbahn. Durch die Schrofen, das Steiglein hinauf zum Gipfel der Valluga mit grandioser Fernsicht. Das ganze Gebiet ist durch die Skilifte ein bisschen verschandelt, ein Besuch auf der Valluga lohnt sich trotzdem alle Mal.
Auf dem Robert-Bosch-Weg umrunden wir im Grenzbereich die Valluga und besteigen über die „Nord-rippe“ die Roggspitze (2.747 m), welche schon um 1500 als Gamsrevier genannt wurde. Wie ein steiler Zahn thront sie über dem Talschluss des Almajurtals, ihre Ost- und Südwände stellen sich nahezu senkrecht auf. Beinahe poetisch sind dann auch die Beschreibungen in der Führerliteratur: „Deren Felszahn als eine der edelsten Erscheinungen der Nördlichen Kalkalpen gilt“ ist da zu lesen, vom „auffallendsten und formschönsten Gipfel der westlichen Lechtaler Alpen, einem eleganten Dreikant“ ist weiters die Rede. Dass die Roggspitze trotz ihres abweisenden Erscheinungsbildes relativ häufig besucht wird, liegt unter anderem an der beliebten Südpfeiler-Route. In der Nordflanke lässt sich der Felszacken mit etwas Orientierungssinn, Schwindelfreiheit und Kletterfertigkeit im II. Schwierigkeits-grad in brüchigem Fels relativ schnell besteigen. Beim Abstieg über die Roggscharte überrascht uns knapp vor der Erlispitze ein Regenschauer, der uns zum schnellen Aufbruch auf die Stuttgarter Hütte zwingt. Beim Marsch durch das Pazieltal nach Zürs streift uns ein kräftiges Gewitter, auch von einem kurzen Hagelsturm werden wir nicht verschont.
An der Westflanke der Roggspitze liegt eine in Vergessenheit geratene Erz-Abbaustelle im Arlberg-gebiet, es handelte sich vermutlich um das höchstgelegene Bergwerk Vorarlbergs. Manfred Tschaikner berichtet in den Bludenzer Geschichtsblättern (107/2013) von den Bergbauplänen des Besitzers von Schloss Wolfurt, Johann Wilhelm Marius, in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Auf Gesteins-proben von Hans Ober, der oft als Knecht auf Zürser Alpen tätig war, aufmerksam geworden, beschlossen der Bregenzer Vogteiverwalter Franz Apronian Pappus und der ehemalige Landschreiber Marius daraufhin, als Gewerken einen obrigkeitlichen genehmigten Abbau der Bergschätze vorzunehmen. Bei der Untersuchung des Edelmetalls soll ein Lindauer Apotheker festgestellt haben, dass ein Zentner des Gesteins 13 Lot Gold enthalte. Die Kammer in Innsbruck schenkte den Abbauplänen von Marius wenig Glaubwürdigkeit und ordnete an, genauere Angaben einzuholen. Marius ging davon aus, dass ein erfahrener Knappe im Sommer an einem Tag einen Zentner zum Schmelzen taugliches Erz hauen könne, was Aufwendungen in der Höhe von einem Gulden erfordere. Der Transport von einem Zentner auf Saum-rossen nach Stuben „under dem Adlerberg“ sei mit 20 Kreuzern zu veranschlagen. In Stuben müsste „ain ableger oder beschlossner stadl“ sein und“ ain vertrauter mann dariber bestelt werden“. Von dort könne man im Winter und im Sommer auf vierspännigen Wagen je 15 Zentner nach Dornbirn „zuer althen eingefallnen eisen schmelz hütten“ führen. Der vier Tagesreisen dauernde Weg von Dornbirn nach Stuben und zurück erfordere bei einem Tagesfuhrlohn von drei Kreuzern insgesamt zwölf Kreuzer je Zentner. Neuerliche Gesteinsuntersuchungen in Schwaz und Brixlegg standen in krassem Gegensatz zu den erwarteten Ausführungen von Johann Marius. Im eingesandten Gestein befanden sich keine Spuren eines Metalls. Daher würde sich der Abbau nicht lohnen, so lautete die Beurteilung der Tiroler. Die Bergbaupläne des Johann Wilhelm Marius am Arlberggebiet in den Jahren 1679 bis 1681 scheiterten also kläglich.
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