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15. Sareis – Mattlerjoch


Mit der heutigen Tour endet der Grenzgang im Nenzinger Himmel. Über Malbun gelangen wir mit dem Sessellift nach Sareis (2.003 Meter). Da die umliegenden Berge in Wolken verhüllt sind, warten wir zu-nächst im Bergrestaurant bei einem „Liechtensteiner Weiza“ auf Wetterbesserung. Leider ohne Erfolg. So steigen wir im Nebel Richtung Gamperdond zum Felstor beim Grenzstein Nr. 36 ab, eine der interessantesten landschaftlichen Besonderheiten. Vom Tal aus zwar gut sichtbar, führt es dennoch einen Dornröschenschlaf an den Felsenwänden des „Rauhen Berges“. Ein Grund hierfür dürfte die abgeschiedene Lage unterhalb der Aussichtswarte „Sareiser Joch“ sein, hinzu kommt der beschwerliche Zustieg sowohl vom Grat als auch vom Tal aus. Die Mühe aber lohnt sich: Mit einer Spannweite von über 20 Metern und einer Höhe von 40 Metern dürfte es das größte Felstor der gesamten Alpen sein. Die Form des gewaltigen Bogens ist derart perfekt, dass man meinen könnte, ein Bildhauer habe diesen erschaffen. Entstanden ist dieses Gebilde durch die unermüdliche Kraft des Wassers, welches sich durch gips-haltiges Gestein gearbeitet hat. Der Torbogen selbst besteht demgegenüber aus härterem Hauptdolomit. Diesem konnte das Wasser wesentlich weniger zusetzen. In der näheren Umgebung befinden sich noch einige verwegene Felspyramiden mit großen Steinen auf den Spitzen, die wie ein aufgesetzter Hut erscheinen. Auch dies ein Ergebnis der Kraft des Wassers. Obwohl das Fenster zur Gänze auf Liechtensteiner Staatsgebiet liegt und dort als „Wildmännlesloch“ bekannt ist, wird es als amtliches Naturdenk-mal des Landes Vorarlberg ausgewiesen. Die Grenze verläuft wenige Meter östlich des Torbogens.

Vom Sattel des Sareiserjochs steigen wir steil hinauf, bis der Steig in einer Geröllhalde endet. Kleine Kletterstellen führen uns auf den Grat. Der Rauer Berg (2.094 Meter) ist zwar kein lohnendes Ziel, als Grenzberg für uns aber sehr wohl Pflicht. Über Gratverschneidungen klettern wir im dichten Nebel 500 Meter in östliche Richtung dem Gipfel entgegen. Als die Sicht klarer wird, erkennen wir, dass eine Umgehung der Felsklippen auf Nenzinger Seite einfacher gewesen wäre. Über den Gamsgrat führt ein schlecht markierter Steig zum Ochsenkopf (2.286 Meter), als namensgebender Berg dieses Kammes ein sehr markanter und weithin sichtbarer Felsklotz. Nicht jedoch am heutigen Tag. Nur bis 50 Meter Sicht ist uns vergönnt. Hier in der „oberä Gör“, in den Latschenhängen auf Malbuner Seite, fanden 1858 zwei Hirtenbuben ein in seiner eisernen Scheide steckendes Schwert der La-Tène-Kultur (Archäologische Hinterlassenschaften der Kelten), welches aus dem dritten Jahrhundert v. Chr. stammen soll.

Der Ostgrat, begrenzt durch das Sareiserjoch und Bettlerjöchle, ist im Nebel verhüllt. Im Blindflug suchen wir am Ruchberg (2.160 Meter) eine Abstiegsmöglichkeit in das 100 Meter tiefer liegende Bettlerjöchle. Links und rechts fragiler Steintürme steigen wir umher und versuchen krampfhaft nach einem Abstieg. Da uns ein Weiterkommen bei diesen Verhältnissen auf dem ausgesetzten brüchigen Grat gefährlich erscheint, erwägen wir umzukehren. Kaum gedacht, lichtet sich in Sekundenschnelle der Nebel und wir können den weiteren, nicht markierten Pfad erkennen, der sich links und rechts des Abbruchs an die Felsverschneidungen anlehnt. Behutsamen Schrittes gelingt es nun auf dem abschüs-sigen Pfad zum Bettlerjöchle (Grenzstein 39) abzusteigen. Die optimale Richtung zur Überschreitung wäre wohl von Nord nach Süd. Unsere Überschreitung von Süden her ist weniger zu empfehlen, da das Abklettern im brüchigen und schuttbedeckten Fels, vor allem im Bereich des Ruchbergsattels und des Bettlerjöchle, sehr viel Erfahrung erfordert.

In früheren Jahren nannte man das Bettlerjoch auch Vermaleshöhe. So benannt nach der Alp auf öster-reichischer Seite. Der heutige Name geht auf eine Sage zurück, von welcher es verschiedenste Varianten gibt. Eine hiervon führt aus: Schmalzbettler sollen alljährlich vom Nenzinger Himmel über diesen Pass zu den Liechtensteiner Alpen gegangen sein, um nach Schmalz zu betteln. Als Gegenleistung beteten sie für das Wohlbefinden von Hirten und Herden. In einem Jahr allerdings waren die Schmalzbettler spät dran, kamen in ein Unwetter und erfroren auf dem Übergang zu Stein.

Den teils felsigen Grat zum Scheinkopf (2.159 Meter) umgehen wir außerhalb des Latschenbewuchses und gelangen so problemlos in unmittelbare Nähe des Gipfels, wo sich der Grenzstein Nr. 40 befindet. Dem Nordwestgrat folgend erreichen wir über eine Felsstufe mit schuttigem Fels und einen Latschen-gürtel unser heutiges Tagesziel, das Mattlerjoch (1.867 Meter), ein Grenzübergang von Malbun nach Gamp. Dieser Übergang über das Joch wurde vor und während des Zweiten Weltkriegs regelmäßig von Schmugglern genutzt. Diese schmuggelten Tabak, Kaffee, Saccharin und einiges mehr. Da das Gebiet darüber hinaus als sehr wildreich galt, blieben Besuche von Wilderern nicht aus.



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