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14. Augstenberg und Gorvion


Zurück im Gamperdonatal, einem Seitental im westlichen Teil des Rätikons. Politisch gehört es zum Gemeindegebiet Nenzing, nur ein kleiner Teil, die Alpe Sareis, ist Staatsgebiet des Fürstentums Liech-tenstein. Das Tal erstreckt sich von Süden nach Norden und hat eine Gesamtlänge von 18 Kilometer, beginnend am Barthümeljoch (2.305 Meter) und endend in Nenzing (533 Meter). Den höchsten Punkt bildet der Panüeler Kopf mit 2.859 Metern. Die Meng, über weite Strecken ein naturbelassener Wild-bach, durchfließt das gesamte Tal. Die Höhenunterschiede vom Talgrund zu den beidseitig das Tal ein-rahmenden Bergketten schwanken zwischen 800 und 1.500 Meter. Als weiterer Name für das Tal hat sich zwischenzeitlich Nenzinger Himmel eingebürgert. Es handelt sich dabei um einen von Bewohnern der Nachbardörfer genutzten Spottnamen, der seinen Ursprung in den Schwärmereien der Nenzinger für ihr „Gamperdond“ haben dürfte.

Da Mitarbeiter vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV) oberhalb des Trübbachs nahe der Liechtensteiner Grenze mehrere Grenzpunkte neu setzen, ergibt sich für uns erneut eine Mitfahrgelegenheit. Die westseitige Grenze zu Liechtenstein zeigt in diesem Bereich einen auffälligen Verlauf. Logisch wäre die Grenzziehung entlang des Kammes vom Augstenberg nach Sareis und weiter über den Gamsgrat zum Ochsenkopf. Bereits vor Jahrhunderten wurden die Hänge jenseits des Grenzgrates von Walsern aus Malbun bewirtschaftet, da sie von deren Seite wesentlich einfacher zugänglich sind als vom Gamperdonatal. Im Jahr 1542 hatten sich die Alpeigentümer auf diese Grenze geeinigt. Da Liechtenstein von 1852 bis 1919 eine Zollgemeinschaft mit Österreich bildete, war der exakte Grenzverlauf in dieser Zeit von untergeordneter Bedeutung und die entsprechenden Grenzmarkierungen wurden vernachlässigt. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges war man sich dann jedoch über den Grenzverlauf nicht einig. Die Österreicher beanspruchten einen bis zu 300 Meter höher gelegenen Grenzverlauf gegenüber den Liechtensteinern. Rund 14 Hektar waren somit strittig und führten zu langwierigen Verhandlungen über mehrere Jahre, bis man sich dann 1954 endlich einigen konnte. Den Liechtensteinern wurde das von ihnen beanspruchte Gebiet zuerkannt und die Alpgrenzen deckten sich nun wieder mit den Staatsgrenzen. Zum Ausgleich erhielten die Österreicher ein ebenso großes Gebiet einen Kilometer weiter nördlich beim Scheinwäldle Tobel.

Entlang des Trübbachs steigen wir zum Grenzstein Nr. 35 auf, knapp 500 Höhenmeter unterhalb Sareis. Hier zieht sich der Grenzverlauf dann ca. zwei Kilometer oberhalb von Abbrüchen, Tobeln, Latschenfeldern und Geröllhalden von Nord nach Süd (Grenzsteine 29 bis 24). Kurz vor Erreichen der Stafeldon Alpe (GST 19) biegt der Grenzverlauf nach Westen und führt in weiterer Folge über den Gorvion zum Grenzstein 10 und weiter über den Kamm zum Bettlerjoch. Kaum zu glauben, dass sich erfahrene Alpinisten im Latschenverhau verirren! Hannes kann nähere Auskunft erteilen. Nachdem wir uns wiedergefunden haben, steigen wir über einen mit Gras bewachsenen Hang zum Augstenberg (2.359 Meter) auf und queren beim Abstieg über einen felsigen Kamm zum Gorvion. Über einen Riss, den es zu erklettern gilt, in weiterer Folge über kleine Felsstufen erreichen wir den Gipfel (2.380 Meter). Der Rückweg führt uns in die Nähe der Pfälzer Hütte und über den Bettlerlochweg in den Nenzinger Himmel, wo beim Kiosk der Vermesser und die „Paulaner“ uns erwarten.

Die eigenartige Struktur des Gorvion über der Alpe Stafeldon fasziniert vor allem die Geologen. Auf-fallend sind seine drei hellen Felsringe aus Kalk, die sich waagrecht um den Berg ziehen. Sie wirken wie Sahneschichten einer Schwarzwälder Torte. Die Ringe dazwischen sind deutlich mächtiger und bestehen aus stark verwittertem schwarzen Mergel. Die oberste Spitze in Form eines kecken Hütchens ist aus Muschelkalk. Obwohl ringsum höhere, stolzere und berühmtere Gipfel stehen, gaben Geologen dem eiszeitlichen Talgletscher den Namen dieses einen Berges: Gorfiongletscher.



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