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9. Vom Galinakopf zum Zigerbergkopf


Gurtis, das Bergdorf mit alpenländischem Charme, ist unser Ausgangspunkt auf 900 Metern Seehöhe. Vom Ortsrand, bei der Kapelle „Maria Rosenkranzkönigin“ in Muggabill, wandern wir entlang des Galinabachs zur 640 Meter höher gelegene Galinaalpe. Die Hohe Köpfe (2.066) und der Galinagrat mit ihren senkrechten, zerklüfteten Felswänden leuchten uns in der Morgensonne entgegen. Nach einer ersten Pause erreichen wir über den teils versicherten Steig entlang des Kreuzschrofen den für heute höchsten Punkt, den Galinakopf mit 2.198 Metern.

Aus der Geschichte von Gurtis sind einige „Kriminalfälle“ bekannt, tragische Ereignisse, die weit über den Ort hinaus die öffentliche Aufmerksamkeit erregten. Im Zusammenhang mit dem Geistlichen Vitar Gut (1839-1870) stand ein kaltblütiger Mordfall. Gut kümmerte sich nicht nur um die Seelsorge und den Religionsunterricht, sondern betrieb darüber hinaus das einzige Gasthaus im Ort und eine Landwirtschaft. Zu seiner Unterstützung beschäftigte er seinen Bruder Daniel, der zuvor als Zöllner im Kleinen Walsertal seinen Dienst versah. Im Winter des Jahres 1863 wurde die Pfarrköchin, Cousine der beiden, auf der Kellerstiege tot aufgefunden. Der untersuchende Arzt stellte Spuren von Gewaltanwendungen fest, unterließ jedoch eine Anzeige aus Rücksicht auf den Kaplan, obwohl er dessen Bruder Daniel als Täter im Verdacht hatte. Im darauffolgenden Jahr begab sich Daniel Gut auf die Alpe Gamperdona und überfiel dort in einer Nacht zwei Alpknechte im Schlaf. Er durchschnitt dem Senn den Hals und verletzte den anderen. Anschließend flüchtete er zu einer Hütte, in welcher ein Mädchen wohnte, mit der er eine Bekanntschaft unterhielt. Er wurde jedoch von dessen Vater schroff abgewiesen. Daraufhin zündete er die umstehenden Hütten an. Als ihn der herbeigeeilte Zöllner verhaften wollte, sprang er ins Feuer und kam dort um. Mit seinen letzten Worten gestand er noch die Tat an der Pfarrköchin und dem Senn.

Westlich des Galinakopfs liegt unser nächstes Ziel, der Zigerbergkopf mit 2.051 Metern. Entlang des Grates hinüber und weiter über die Hächlaköpfe hinunter ins Saminatal, ist unserer Vorhaben. Doch wir haben dabei die Rechnung nicht mit den dichten Latschenfeldern auf Liechtensteiner Seite gemacht. Kein Weg, staubig, schwül heiß, durstig - „Halb Verreckt!“ Nach zweistündiger Anstrengung haben wir den Grenzstein 59 im Visier. Hier müssen wir feststellen, dass ein Weiterkommen entlang des Grenzverlaufes unmöglich ist. Steile Felsabbrüche auf Vorarlberger Seite und kein Durchkommen durch die Stauden auf Liechtensteiner Gebiet. Zurück, dieselbe Prozedur nochmals! Wir dürfen uns ja nicht beklagen, denn es hat uns keiner befohlen hier hoch zu steigen. Kurz vor dem Galinakopf erreichen wir den Fußweg, der in Grenznähe hinunterführt zum Mattlerjoch (1867 m).

Beim Grenzzaun (GST 49), den es zu übersteigen gilt, beginnt der Rückzug zur drei Kilometer entfernten Vordergamp und dem einzigen Wirtshaus in dieser Gegend (Berghaus Mattajoch). Auf halber Strecke dorthin, bei der Innergampalpe, treffen wir Andreas von der „Emser Reute“, der sich seit 16 Jahren als Hirt für 150 Rinder verantwortlich zeigt. Um den ärgsten Durst zu stillen rettet uns der Älpler mit einem „Frastanzer Hopfentee“. Auf der Innergampalpe finden sich inmitten eines Bergwaldes Fels-türme, welche zum Naturdenkmal erklärt wurden. Im wasserlöslichen Gestein der gipshaltigen Raiblerschichten bildeten sich Vertiefungen, Dolinen genannt. Diese wurden nach und nach mit herabstürzendem Blockwerk gefüllt und verkittet. Als dann die sie umgebende Oberfläche durch Erosion abgetragen wurde, bildete diese härtere und mittlerweile zementierte Gesteinsmischung die nun sichtbaren Felstürme. Es erfolgte somit eine „Relief-Umkehr“. Da diese bis zu 50 Meter hohen und in Europa einmaligen Felstürme erst nach der Eiszeit vor ca. 10.000 Jahren entstanden sind, sind als geologisch „jung“ einzustufen.


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