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7. Vom Saminatal auf den Garsellakopf und Zollamt Tisis


Um zur Liechtensteiner Grenze am Falleck zu gelangen, muss man von Amerlügen durchs Saminatal zwei Stunden Gehzeit einplanen. Die Samina ist ein Wildwasserfluss, der das Saminatal gebildet hat, das westlichste Tal im Rätikon und Nebental des Walgau. Das Saminatal nimmt mit seinen Nebentälern etwa ein Drittel der Landesfläche Liechtensteins ein, ist aber kaum besiedelt. Der Fluss hat eine Länge von zehn Kilometern, davon in Liechtenstein zwei, in Vorarlberg acht Kilometer.

Beim Grenzübergang Falleck (Grenzsteine 63 + 64) verläuft die Grenze über felsiges Gelände und Schrofen direkt zum Felseck und weiter in östlicher Richtung über den Kamm zu den Garsellatürmen und als höchste Erhebung zum Garsellakopf mit 2.105 Metern. Da diese geplante Route kaum begehbar ist, steigen wir auf Liechtensteiner Seite südlich der Planknerröfi auf steilen Gras- und Schotterflanken 1.500 Höhenmeter dem Gipfel entgegen. Auf halber Strecke erfordert der dichte Latschenbewuchs in steilem Gelände erhebliche Mühe. Da ein aufrechter Gang an verschiedensten Stellen nicht möglich ist, müssen wir uns des Öfteren kriechend in diesem Latschendschungel fortbewegen. Da zu dieser Jahreszeit die Föhren in Blüte stehen und bei jeder Berührung gelblichen Blütenstaub in erheblichen Mengen freisetzen, bleibt eine entsprechende Hustenreizung nicht aus. Ob wir uns diesen „Latschenschinder“ verdient haben, wissen wir nicht. Dass man die Sünden, sofern vorhanden, auf angenehmere Art ab-dienen kann ist anzunehmen.

Im oberen Drittel des Anstiegs endet der Bewuchs und es wird in der Flanke südlich der Garsellatürme steiler und steiniger. Konzentriert, Schritt für Schritt, steigen wir über felsiges Terrain und schroffe Bergformationen dem Garsellakopf (Grenzstein 68) entgegen. Dort angelangt öffnet sich ein grandioser Rundblick auf teils noch schneebedeckte Gipfel im Rätikon und den Schweizer Bergen. Einem Steig folgend gelangen wir zügig auf die Drei Schwestern. Unser Ziel sind nicht der mit Gipfelkreuzen bestückte Jahn- und Vollandturm, sondern der dritte und höchste Turm der Drei Schwestern (2.052 Meter). In Tourenberichten vor 1898, welche den Weg auf die Drei Schwestern beschreiben, findet sich lediglich die Bezeichnung Garsellikopf. Über Jahrzehnte herrschte erhebliche Verwirrung hinsichtlich der Namen dieser Bergspitzen. So nannte man die Drei Schwestern auch Plankner Spitzen und den Garsellikopf Drei Schwestern, wobei derselbe Name darüber hinaus auch für die gesamte Bergkette verwendet wurde. Mittlerweile konnten sich Österreicher und Liechtensteiner jedoch auf eine gemein-same Namensgebung einigen. Die Steiganlage von den Drei Schwestern bis zum Fürstensteig wurde 1898 feierlich eröffnet und ist seither Ziel zahlreicher Wanderer. Der sonnige und klare Tag ermöglicht uns Sicht bis zum Bodensee. Der Grenzstein 69 mit den Gipfelkreuzen der kleineren und mittleren Schwester ist ein beliebtes Fotomotiv. So auch für Walter, der sich gerne in dieser Position ablichten lässt.

Die Sage von den Drei Schwestern ist wohl die bekannteste Liechtensteiner Sage. Drei Schwestern gingen am Morgen des Liebfrauentags (15. August) nach Gafadura oberhalb von Planken, um Beeren zu lesen. Auf dem Weg dahin hörten sie die Kirchenglocken, die den Feiertag verkündeten und die Christen in die Kirche riefen. Eine der Schwestern meinte, ob es nicht wohl besser wäre, auch in die Kirche zu gehen, doch die beiden anderen beschwichtigten, dass zuerst die Körbe voller Beeren sein müssten, bevor sie wieder ins Dorf zurückkehren. Als die Körbe am späten Nachmittag gefüllt waren, machten sich die drei Mädchen auf den Heimweg. Da begegnete ihnen eine schöne Frau und bat um ein paar Beeren. Doch die drei Schwestern meinten nur, dass, wer Beeren will, sie sich selbst zu holen habe. Da erstrahlte die schöne Frau in einem hellen Schein und sagte zu den Mädchen: „Meinen Festtag habt ihr geschändet und meine Bitte habt ihr nicht erhört. Euer Herz ist aus Stein, und als Stein sollt ihr ewig hier stehen.“ Sie erstarrten zu großen Felsen, und fortan nannte man diese Felsen die Drei Schwestern.

Über den gesicherten Steig mit zwei Eisenleitern, gelangen wir entlang des Grenzverlaufes zum Sarojasattel. Eine wahre Flut von Grenzsteinen erwartet uns beim Grenzverlauf zu Liechtenstein entlang der Sarojahöhe zum Frastanzer Sand und weiter bis zum Grenzstein 118, ab welchem die Grenze in westliche Richtung steil abfallend über einen Waldrücken und in weiterer Folge entlang des Tisner Waldes zum Zollamt Tisis führt. Da dieser Grenzverlauf kaum begehbar ist, verlassen wir 500 Meter vor dem Eckpunkt den Grenzverlauf und steigen auf Wegen und Abkürzungen 900 Höhenmeter talwärts. Was ist der logische Schritt nach einer schweißtreibenden Tour, wenn nach zehn Stunden der Durst schlimmer ist als das Heimweh? Direkt bei der Grenze, auf Vorarlberger Seite, gibt es den „Snackman“. „Der beste Dönerstand im Ländle“ ist auf dem Schild zu lesen. Dem müssen wir zustimmen, denn im Kühlfach leuchten uns mehrere rote „Möhrle“ entgegen.



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