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4. Riefensberg/Aach – Lecknertal


Nach dem Riefensberger Golfplatz lässt uns der Landbusfahrer vor der Grenze bei der Brücke am Lit-tenbach (Grenzstein Weiser 230) aussteigen. Wir befinden uns nun im Naturpark Nagelfluhkette. Wo die österreichischen Alpen im Westen beginnen, der Bodensee nah ist und ein besonderes Gestein die Landschaft prägt, liegt der im Jahr 2008 gegründete Naturpark. An der Schnittstelle zwischen Allgäu und Bregenzerwald hat sich über viele Jahrhunderte hinweg eine großartige Kulturlandschaft ent-wickelt. Was bedeutet Nagelfluh? Nagelfluh ist die Bezeichnung für ein spezielles Gestein, das vor allem am Alpennordrand zu finden ist. Es besteht aus Flusskieseln, die unter Druck zu einem Konglo-merat verbacken wurden. Somit ein Gestein, das aus vielen einzelnen Steinen gebildet wird. Es entsteht der Eindruck, als hätte man Nägel so tief in den Felsen geschlagen, dass nur noch deren Köpfe heraus-schauen. Daher wird Nagelfluhgestein im Allgäuer Volksmund auch „Herrgottsbeton“ genannt.

Im Tobel beim Littenbach stand einst auf österreichischer Seite die Lexamühle, eine Kleinmühle zur Mehlerzeugung, die erstmalig urkundlich im Jahr 1690 erwähnt wurde. 1860 wurde jedoch der Mahlbetrieb eingestellt. Eine Besonderheit ist der im Sommer 2010 gefundene Mühlstein. Das rosafarbene Porphyrgestein stammt aus der Umgebung von Bozen und wurde mittels Pferdefuhrwerk über 300 Kilometer weit verfrachtet, um erst hier kunstvoll zu einem Mühlstein zugehauen zu werden. Beim Schilift in Hochlitten, einem kleinen Familienschigebiet in Riefensberg, gelangen wir nahe dem Waldrand zur Geländekante „Auf der Fluh“ (Grenzstein 225). Hier öffnet sich uns ein Ausblick zum Hochhädrich sowie den weiteren Routenverlauf. Bevor wir uns auf den Weg über das Hochmoor begeben, lockt uns die Gschwanderalpe nur wenige Meter über der Grenze mit einem „Meckatzer Weizen“. Dem können wir nicht widerstehen.

Wie an so manchem anderen Ort wurde auch in diesem grenznahen Gebiet in der Zwischenkriegszeit und nach dem Krieg verschiedenstes verbotenerweise über die Grenze verbracht, also geschmuggelt. So soll ein Riefensberger Bauer beim Nachbarn auf einer Allgäuer Alpe Vieh gekauft haben. Um sich den an sich fälligen Zoll zu sparen, wartete der Bauer, bis im Moor undurchsichtiger dichter Nebel aufgezogen war. Als er dann mit seinen „Rindviechern“ die Staatsgrenze überquerte und bereits annahm, alles wäre gut verlaufen, stand zu seinem Erstaunen und Schrecken plötzlich ein Zöllner vor ihm. Geistesgegenwärtig und mit „Bauernschläue“ jammerte er dem Grenzbeamten vor, es handle sich um seine eigenen Kühe, welche über die Grenze ausgerissen seien. Das leuchtete dem gutgläubigen Zöllner ein und so nahm dieser hilfsbereit einen Stock und half die Kühe „heim" zu treiben. Vermutlich wäre diese Geschichte anderes ausgegangen, hätte sie sich nicht in einer Zeit zugetragen, in welcher Rinder noch keine Ohrmarken mit Nummern tragen mussten.

Im Bereich zwischen den Felskämmen der Fluh und des Hochhädrich überqueren wir in einer flachen Mulde ein Hochmoor. Dessen Entstehung reicht bis in vorgeschichtliche Zeiten zurück und schon Jäger der Steinzeit fanden dort ein sumpfiges Hochtal vor. Die Moorbildung setzte in der späten Eiszeit ein, da für das Niederschlagswasser ein Abfluss fehlte und sich abgestorbene Pflanzen bei Feuchtigkeit nur langsam zersetzen. So entwickelten sich in dieser Moorlandschaft stellenweise beachtliche Torfvorkommen. Eine wirtschaftliche Nutzung des Torfes ergab sich als Einstreumittel im Stall. So wurde der Torf getrocknet und in gepressten Ballen transportiert. Die Spuren des Torfabbaus sind nahezu vollständig verschwunden. So auch das Torfwerk sowie eine 1925 erbaute Materialseilbahn über den Fluhkamm zur Moosalpe.

Die Häderichmoore bilden das größte Moorgebiet in der Nagelfluhkette. Sie umfassen, zusammen mit einer Fläche auf der österreichischen Seite, rund 89 Hektar. Das entspricht einer Fläche von ungefähr 60 Fußballplätzen. Die meisten Bereiche der Häderichmoore bestehen aus Flachmooren. Flachmoore werden durch Regen und im Gegensatz zu Hochmooren auch durch Grundwasser gespeist und sind aus diesem Grund nährstoffreicher. In den Häderichmoore leben zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten, die man an anderen Orten kaum mehr oder gar nicht mehr antrifft. Darin besteht die Besonderheit dieser Moore.


Der Hochhäderich mit seinen 1.565 Metern ist der westlichste Berg der Nagelfluhkette. Über einen gesicherten Steig gelangt man zu den Falkenköpfen und in weiterer Folge zur Rohnehöhe, mit 1.639 Metern die an diesem Tag höchsten Erhebung. Beim Grenzstein 215, der sich in luftiger Höhe ausge-setzt auf einer Felskante befindet, geht es äußerst steil bergab zur Leckner Ach. Entlang von Felsab-brüchen, steilen Sumpfwiesen und nahezu unüberwindbaren Wassergräben versuchen wir mit großer Mühe und einiger Kraftanstrengung den Talboden zu erreichen. Nach etlichen Rutschpartien und einem Sturz, bei dem einer von Sigi's Wanderstöcke in Brüche geht, ist das Ende des Steilhanges erreicht. Geschafft! Entlang des Leckner Sees marschieren wir nun entspannt auf der Straße im Leckner Tal Richtung Hittisau, wo im Gasthaus Adler eine köstliche Erfrischung der bereits erwähnten Art uns erwartet.


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